»Nora Bossong überzeugt in ihren Gedichten durch die Kunst
der Aussparung. [...] Die lakonische Kürze dieser genau beobachteten und wie beiläufig charakterisierenden Gedichte besitzt einen hohen Wiedererkennungswert.« Norbert Hummelt
Textprobe: Rattenfänger // Zwei Jungen traf ich / unterm Brückenbogen nachts, / die pinkelten den Pfosten an und / sagten, dass sie sieben seien / sagten, dass sie Läuse hätten. / Sie lachten über mich, als ich / es glauben wollte. Nichts zu holen / außer Läuse, verriet der Kleinere. / Er zeigte aufs Gebüsch und trat / mir auf den Spann. Ich hätt mich gern / in ihn verliebt, so billig war / in jener Nacht sonst nichts mehr / zu erleben. Der Große fragte, ob es stimmt, / dass auch das Tier allein / nicht sterben kann. Es war / zu spät für Jungen unter dieser Brücke.
Nora Bossong, geboren 1982 in Bremen. Studium der Kulturwissenschaften, Philosophie und Literatur in Berlin, Leipzig und Rom. Von ihr erschien zuletzt der Roman »Gesellschaft mit beschränkter Haftung« und der Gedichtband »Sommer vor den Mauern« (beide Hanser Verlag). Sie wurde mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Peter-Huchel-Preis und dem Kunstpreis Berlin der Akademie der Künste. Bei zu Klampen veröffentlichte sie »Reglose Jagd« (2007, 2014).