Nach dem Ende der NS-Herrschaft hatten viele der Verfolgten das Bedürfnis, von ihren Erlebnissen zu berichten. Unterstützt von den alliierten Besatzungsmächten erschienen in den ersten Nachkriegsjahren hunderte Schriften, in denen die Betroffenen die Haft in den NS-Gefängnissen und Konzentrationslagern schildern.
Das Buch untersucht einige dieser Texte, die in ihren Rückblicken auf das eigene Erleben immer auch Urteile ableiten und Forderungen formulieren hinsichtlich der Konstituierung des postfaschistischen Deutschland.
Mit welchen ästhetisch-narrativen Verfahren diese Texte ihre Folgerungen aus dem Erlebten sowie die zum Teil gravierenden Überschreibungen der eigenen Biographie plausibilisieren, steht im Fokus der Untersuchung.
Dabei legt Vogel besonderes Augenmerk auf die komplexen Zusammenhänge, Brüche und Inszenierungen von historischen Ereignissen, individueller Erfahrung und deren schriftlicher Reflexion im Kontext des Nachkriegsdiskurses.
Johannes Vogel ist Literaturwissenschaftler und promovierte sich 2023 im Rahmen des interdisziplinären Forschungsprojekts "Aufbau West: Arbeit an der Demokratisierung des deutschen Massenbewusstseins. Bestseller der Literatur, des Sachbuchs und der (Populär-) Wissenschaften von 1945 bis 1961" an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.
1 Einleitung
I Die Bedeutung der Opferperspektive für die Entnazifizierung und den Aufbau Nachkriegsdeutschlands
2 Die alliierten Aufklärungskampagnen über die nationalsozialistische Gewalt
3 Verordnete Selbstverpflichtung institutioneller Positionen auf den alliierten Standpunkt nationaler Neuorientierung
4 Vom "Diktat fremder Siegermächte". Der deutsche Leugnungsdiskurs
5 Die Opfer des Nationalsozialismus zwischen offizieller Anerkennung und fortdauernder Verfolgung
II Die Anmeldung von Eliten in der literarischen Reflexion der erlebten national-sozialistischen Haft
6 Die Notwendigkeit einer neuen Herrschaft zur Verwirklichung humanistischer Gemeinschaft. Isa Vermehren: Reise durch den letzten Akt
7 Rehabilitation des geistlichen Unterstützers als Seelsorger der Nation. Hanns Lilje: Im finstern Tal
8 Die Verkörperung deutscher Kulturtradition als Avantgarde ihres Wiederaufbaus. Ernst Wiechert: Der Totenwald
9 Die Wandlung der einst faszinierten NSAnhängerin zur Stimme eines neuen Menschenbildes. Luise Rinser: Gefängnistagebuch
10 Das politische Häftlingskollektiv als Stifter von Gemeinschaft. Walter Poller: Arztschreiber in Buchenwald und Udo Dietmar: Häftling ... X ... in der Hölle auf Erden
11 NS-Repressionen als Legitimation des Wittelsbacher Thronanspruchs und bayerischen Sonderwegs. Erwein von Aretin: Wittelsbacher im KZ
12 Die Anmeldung intellektueller Führungspersönlichkeiten für den neuen nationalen Zusammenhang im Spektrum ihrer Neuausdeutung
Literaturverzeichnis
Anhang. Bibliographie der KZ- und Gefängnisliteratur 1945-1961