In Zeiten tiefgreifender sozialer Umbrüche und manifester Krisen schlägt die Stunde grundsätzlicher Analysen, welche die gegenwärtige Gesellschaft als ganze in den Blick nehmen, ihre Strukturmerkmale und Dynamiken untersuchen und vielleicht sogar Wege aus der krisenhaften Entwicklung aufzeigen.
In jüngster Zeit haben Andreas Reckwitz und Hartmut Rosa großangelegte, jedoch ganz unterschiedlich akzentuierte Gesellschaftstheorien vorgelegt, welche die gegenwärtigen Debatten über die Spätmoderne maßgeblich bestimmen. In diesem gemeinsamen Buch treten sie nun in einen kritischen Dialog.
Ausgehend von dem geteilten Anliegen, dass die Analyse der Moderne als Sozialformation ins Zentrum einer Soziologie gehört, die ihre Aufgabe der Aufklärung der Gesellschaft über sich selbst ernst nimmt, entfalten sie in umfangreichen Essays zunächst ihre je eigene gesellschaftstheoretische Perspektive: Während Reckwitz »soziale Praktiken«, »Kontingenz« und »Singularisierung« als Leitbegriffe wählt, entscheidet sich Rosa für »Beschleunigung«, »Steigerung« und »Resonanz«. Im zweiten Teil des Buches spitzen sie ihre Positionen nochmals zu, arbeiten Gemeinsamkeiten heraus, markieren aber auch grundlegende Differenzen - und zwar im direkten, von Martin Bauer moderierten Gespräch.
Andreas Reckwitz, geboren 1970, ist Professor für Allgemeine Soziologie und Kultursoziologie an der Humboldt-Universität zu Berlin und war Fellow im Thomas Mann House in Los Angeles. Sein Buch Die Gesellschaft der Singularitäten wurde 2017 mit dem Bayerischen Buchpreis ausgezeichnet und stand 2018 auf der Shortlist des Sachbuchpreises der Leipziger Buchmesse. 2019 erhielt er den Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft.
Hartmut Rosa, geboren 1965, ist Professor für Allgemeine und Theoretische Soziologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena sowie Direktor des Max-Weber-Kollegs in Erfurt. Für seine Arbeiten erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, u. a. den Tractatus- Preis, den Erich-Fromm-Preis, den Paul Watzlawick Ehrenring und den Gottfried Wilhelm Leibnitz-Preis 2023.
Martin Bauer ist Philosoph, Literatur- und Religionswissenschaftler. Er ist geschäftsführender Redakteur der Zeitschrift Mittelweg 36 sowie des Portals Soziopolis am Hamburger Institut für Sozialforschung.