Dr. Johannes Weiß ist Professor für Soziologie an der Universität Kassel.
Stellvertretendes Handeln ist ein gesellschaftliches Faktum von großer Allgemeinheit, Bedeutung und Vielgestaltigkeit. Dennoch hat sich die Soziologie seiner bisher kaum angenommen, und zwar auch da nicht, wo sie sich mit den Voraussetzungen und Folgen der fortschreitenden Differenzierung und Individualisierung moderner Gesellschaften beschäftigt. Dies bedeutet, daß eine ebenso unverzichtbare wie prekäre Funktionsbedingung dieser Gesellschaften nahezu vollständig vernachlässigt worden ist.
Mit dieser Arbeit soll das Problem stellvertretenden Handelns für die Soziologie erschlossen und hinsichtlich seiner Wichtigkeit und Ergiebigkeit in den Blick gerückt werden. Im Ausgang von begrifflich-theoretischen Analysen werden die Voraussetzungen, Funktionen und Antinomien stellvertretenden Handelns im Recht, in der Kultur, in sozialen Bewegungen und Interessenkonflikten sowie, insbesondere hinsichtlich des stellvertretenden Leiden, in Religion und Ethik untersucht.
Vorbemerkung.- Stellvertretung als soziologische Kategorie.- Differenzierung und Stellvertretung.- Über organische Repräsentation.- Alieno nomine agere. Stellvertretung im Recht.- Stellvertretendes Leiden.- Repräsentative Kultur und kulturelle Stellvertretung.- Der allgemeine Repräsentant. Zur Selbstdeutung der Intellektuellen in der kommunistischen Bewegung.- Die Intellektuellen, das Volk und der asketische Sozialismus.- Akteure und Agenten. Über Selbstbestimmung, Fremdbestimmung und Stellvertretung im Vereinigungsprozeß.