Bei Märchen handelt es sich um anonyme, ursprünglich nur mündlich überlieferte Geschichten, die sich durch ein gemeinsames Merkmal auszeichnen: Objektiv gesehen sind sie unwahr. Dennoch rufen ihre phantastischen und unerhörten Ereignisse in denen, die ihnen lauschen, Staunen und Bewunderung hervor. Wen wundert es also, dass diese Gattung auf allen Kontinenten, in allen Zeiten und bei allen Völkern zu finden ist und dass ihre Muster unser Denken, unsere Weltvorstellung und unser Sprechen prägen? Folgt man den Thesen Michel Foucaults, dann befinden wir uns heute jedoch im Zeitalter der Biomacht: Das Leben wird in all seinen Modalitäten zunehmend gesteuert und optimiert. Welchen Stellenwert haben Helden und Märchen in dieser Zeit? Und wie kann man durch sie gegen die Vorherrschaft der Biopolitik Widerstand leisten?
Sophie Reyer, 1984 in Wien geboren, ist promovierte Philosophin, Komponistin und Autorin zahlreicher Gedichte, Essays und Romane.