Franz Kafka, der »rätselhafte« Autor, hat die meiste Zeit seines Lebens bei seiner Familie gewohnt. Die Bindung war stärker, als er es sich und uns einzureden versuchte. Im »großen Lärm« der Familie entstanden seine Texte. Seine Beziehung zu den Schwestern, besonders zu Ottla, war sehr eng, als besorgter Onkel machte er sich Gedanken über die richtige Erziehung seines Neffen und seiner Nichten.
Die von den Nachkommen der Schwestern aufbewahrten Fotos dokumentieren nicht nur das Familienleben, sondern erzählen auch vom sozialen Aufstieg einer jüdischen Familie aus einfachen ländlichen Verhältnissen zum Prager Bürgertum. War der Großvater noch Dorfschächter in Wossek, wurde der Vater vom Hausierer zum angesehenen Kaufmann mit Geschäft in bester Lage und der Sohn zum promovierten und weltläufigen Juristen, der als Autor in der intellektuellen Gesellschaft der Moldaustadt verkehrte.
Hans-Gerd Koch ist Literatur- und Editionswissenschaftler und seit vielen Jahren für die Kritische Kafka-Ausgabe des S. Fischer Verlags verantwortlich, unter anderem als Herausgeber der fünfbändigen Briefausgabe. Er leitet den Karl Rauch Verlag und arbeitet als Übersetzer und Ausstellungsmacher. Zu seinen zahlreichen Publikationen über Franz Kafka und die Prager deutsche Literatur gehört der im Verlag Klaus Wagenbach erschienene SALTO-Band 'Kafka in Berlin'.