Erfrischend kalt funkelt das Meer in der Crescent Bay. Im Bungalow der Burnells kann man es an diesem Morgen durch das offene Fenster rauschen hören. Sobald das Familienoberhaupt Stanley Burnell das Haus verlässt, erwachen die Frauen der Familie erst richtig zum Leben. Während Stanleys Schwägerin Beryl mit der skandalösen Mrs. Kember ein Bad im Meer nimmt, liegt ihre Schwester Linda schläfrig im Garten und genießt die Abwesenheit ihrer Kinder, die irgendwo durch die Wiesen stromern. Und spätestens, als sich abends Schatten über das Haus legen, erweist sich die Idylle des Sommertags als trügerisch.
Mit 'In der Bucht' zeigt die beste Kurzgeschichtenautorin der Moderne ihr Können. Atmosphärisch, klug und präzise erzählt Mansfield lange vor der öffentlichen Debatte über Geschlechterrollen von 'regretting motherhood' und anderen gesellschaftlichen Zwängen.
Katherine Mansfield (1888-1923) wurde in Neuseeland als Kathleen Mansfield Beauchamp geboren, ging in England zur Schule und freundete sich dort später mit Virginia Woolf und D. H. Lawrence an. Sie starb mit nur 34 Jahren in Frankreich an Tuberkulose. Mansfield hinterließ Notizen, zahlreiche Briefe und 73 Erzählungen, die zu den besten ihrer Gattung gezählt werden.
Nicole Seifert, geboren 1972, ist promovierte Literaturwissenschaftlerin und arbeitet als Übersetzerin und Autorin. 2021 bekam sie viel Beachtung für ihr Buch '(FRAUEN)LITERATUR: Abgewertet, Vergessen, Wiederentdeckt'. 2024 folgte 'Einige Herren sagten etwas dazu: Die Autorinnen der Gruppe 47'. Des Weiteren ist sie Herausgeberin der Reihe rororo Entdeckungen.