Maren Lorenz, Dr. phil. habil., studierte Geschichte, Politikwissenschaften und Psychologie an den Universitäten Heidelberg, Wien und Hamburg; 1998 promovierte sie am Historischen Institut der Universität des Saarlandes und habilitierte sich 2006 am Department Geschichtswissenschaft der Universität Hamburg. Von 1998 bis 2007 arbeitete sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur und forschte 2007/08 als Visiting Fellow am Deutschen Historischen Institut in Washington, D.C. Seit 2006 ist sie Privatdozentin am Department Geschichtswissenschaft der Universität Hamburg.
Moderner Vandalismus begegnet uns in Form eingeworfener Schaufenster, aufgeschlitzter U-Bahn-Sitze, zerstochener Autoreifen, herausgerissener Telefonkabel oder als Graffiti; die Spuren sind allgegenwärtig. Durch den Anblick zerstörter oder beschädigter Gegenstände fühlen sich die meisten Menschen unangenehm berührt, nicht wenige auch verunsichert oder gar bedroht. Oft hört man, »früher« habe es »so etwas« nicht gegeben. Lässt sich jedoch wirklich nachweisen, dass es »früher« niemand wagte, öffentliche und fremde Besitztümer zu attackieren - und sind die Täter immer »Jugendliche«?
Vandalismus, definiert als anonyme Beschädigung oder gar Zerstörung öffentlich zugänglicher Gegenstände, wird als bewusste, Normen verletzende Handlung begriffen, die - von außen betrachtet - offenbar ohne Motiv geschieht. Maren Lorenz gibt in ihrem Buch einen Überblick über den Wandel der Deutungen und Erklärungen des Vandalismus in Deutschland vom 17. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Sie zeigt, dass das Phänomen schon lange verbreitet war, und untersucht die Zuschreibung von Verantwortung (Täterschaft) und Motiven sowie die propagierten bzw. diskutierten Präventions- und Strafmaßnahmen.
Schon lange galten als Ursachen für vandalistische Akte ökonomische Not, die Bildungsarmut der Massen und bald auch der Zerfall patriarchaler Familienstrukturen. Zerstörungen wurden darum eher erwachsenen Tätern zugeschrieben. Später prägten Vorstellungen einer angeblich durch die Erosion der bürgerlichen Kleinfamilie ausgelösten Verrohung und eines allgemeinen Werteverfalls die Debatte, an der sich bürgerliche Denker aus verschiedenen Disziplinen beteiligten. Mit der zunehmenden Sensibilisierung für gravierende Missstände in Erziehung und Ausbildung, insbesondere der proletarischen städtischen Jugend, wurde Vandalismus immer mehr als rein jugendliches Protestverhalten etikettiert.
Maren Lorenz untersucht Vandalismus als spezifische Variante der Gesellschaftsgeschichte Deutschlands. Ihre Analyse der intellektuellen Introspektion über das normativ aufgeladene Alltagsphänomen anonymer Sachbeschädigung wird so als Tiefensonde eingesetzt, die alternative Einblicke in Krisenwahrnehmungen und kollektive Imaginationen einer Gesellschaft liefern kann.
Inhalt
Einleitung
Nomen atque Omen Frühe Neuzeit Aufklärung Protoindustrialisierung und Industrielle Revolution Das Kaiserreich bis zum Ende des Ersten Weltkriegs Weimarer Republik Nationalsozialismus Nachkriegsgesellschaft Die DDR Die Bundesrepublik Schluss
Anmerkungen 127