Michael Wildt ist Historiker und war bis 2022 Professor für Deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert mit einem Schwerpunkt in der Zeit des Nationalsozialismus an der Humboldt-Universität zu Berlin.
Michael Wildt korrigiert die bisherige Auffassung, dass das Reichssicherheitshauptamt ein reines Verwaltungsbüro und seine Führungselite bloße »Schreibtischtäter« waren. Denn er weist ihre aktive Rolle in der Vernichtungspolitik des Reiches nach.
Am 27. September 1939 entstand unter der Leitung von Reinhard Heydrich aus Geheimer Staatspolizei, Kriminalpolizei und Sicherheitsdienst der SS das Reichssicherheitshauptamt. Dessen Führungskräfte sahen ihre Aufgabe in der »Reinhaltung des deutschen Volkskörpers«. Sie sollten in dem von Hitler beschworenen »Schicksalskampf« die Gegner des NS-Regimes - in erster Linie die Juden als Verkörperung der »Gegenrasse«- vernichten.
Heydrich rekrutierte seine »kämpfende Verwaltung« aus politisch engagierten jungen Männern, die ihre sichere Existenz als Ärzte, Juristen oder Studienräte aufgaben, um in einer Institution mitzuwirken, die von jeder Rechtsgrundlage entbunden war. Sie lernten, zivilisatorische Hemmschwellen zu überwinden und den Massenmord als »Problemlösung« zu konzipieren und zu exekutieren.