ALFRED ANDERSCH verlebte seine Jugend und Gymnasialzeit in München, eine Zeit, die in einige seiner Bücher, insbesondere aber in die geniale Erzählung "Der Vater eines Mörders" Eingang fand. "Der Vater eines Mörders. Eine Schulgeschichte" wurde von ihm im Januar 1980 vier Wochen vor seinem Tod abgeschlossen.
Andersch berichtet darin von einer Griechischstunde am humanistischen Wittelsbacher Gymnasium in München im Mai 1928. Die Erzählung, die auf einer autobiographischen Episode beruht, gilt als politisches und literarisches Vermächtnis des Autors. Noch bevor Klassenlehrer Studienrat Dr. Kandlbinder den Unterricht in der Untertertia B beginnen kann, betritt der Schulleiter, Oberstudiendirektor Himmler das Klassenzimmer, um die Leistungen "seiner" Schüler zu prüfen. In der sadistischen, humanistisch verbrämten Bloßstellung des Schülers Franz Kein, an dem der "Rex" seine autoritären Unterrichtsmethoden exerziert, zeichnet Alfred Andersch das Psychogramm eines Menschen vor dem Hintergrund des heraufziehenden Faschismus. Oberstudiendirektor Joseph Gebhard Himmler war niemand anderer als der Vater des späteren Reichsführers SS, Heinrich Himmler, der in der Zeit des Nationalsozialismus und im Zweiten Weltkrieg für den Mord an Millionen Menschen verantwortlich war.