Die Malerei in der Übergangsphase zur Abstraktion im Werk Wassily Kandinskys konfrontiert den Interpreten mit einer bildlichen Ausdrucksweise, deren Sinngehalt nicht mehr an eine verbindliche Ikonographie und kaum noch bzw. nicht mehr an wiedererkennbare Motive gebunden ist. Ausgehend von dieser Problematik hat sich Barbara Mackert-Riedel mit vier Analysen von Wassily Kandinsky zu eigenen Bildern befasst. Die Untersuchung bietet grundlegende Erkenntnisse zu den Charakteristiken des modernen, abstrakten Bildes sowie dessen Interpretation.
Drei Analysen beziehen sich auf die Bilder Himmlische und irdische Trauer (1904), Kampf in Rot und Grün (1904) und Kleine Freuden (1913). Die vierte Bildanalyse, zu dem Aquarell Entwurf zu ,Improvisation mit Pferden' (1911), ist in einem Brief Kandinskys an Hans Arp (1912) enthalten, in dem er sich insbesondere mit Fragen der Bildhermeneutik befasst. Dieser Brief lässt sich dementsprechend als Grundlage einer Theorie der Interpretation moderner Malerei aus der Sicht Kandinskys sehen.
Bei der Untersuchung der Bildanalysen zeigt sich, dass Kandinskys Denkweise, selbst bei den figürlichen Bildern der Frühphase, stets abstrakt war: Er behandelte grundlegende Aspekte der Bildsyntax, d. h. der kompositionellen Struktur sowie bild- und vor allem farbsemantische Probleme, bei denen seine besondere synästhetische Auffassungsweise durchscheint. Damit brachte er bildrelevante Aspekte zur Sprache, die maßgeblich an der Ausbildung der abstrakten Ästhetik beteiligt waren.
Die vier Manuskripte aus dem Archiv der Gabriele Münter- und Johannes Eichner- Stiftung im Lenbachhaus in München wurden mit der vorliegenden Studie erstmals textanalytisch erschlossen, historisch eingegliedert und in zwei Fällen außerdem zum ersten Mal veröffentlicht.